Schritt 6
Die grüne Schlange
Man sagt, dass die Alp Sgiov vor langer Zeit von einer riesigen grünen Schlange heimgesucht wurde. Dieses scheussliche Tier stürzte sich unverhofft auf Hirten und Rinder. Seine giftigen Bisse waren fast immer tödlich.
Die Älpler versuchten, die Schlange zu töten oder sie auf tausend Arten zu vertreiben. Aber es gelang ihnen nicht. Immer konnte sich die Schlange in ihre Höhle verkriechen.
In Brione lebte damals ein junges Mädchen. Margherita hiess es. Eines Tages beschloss Margherita, die Schlange für immer zu vertreiben. Sie wusste zwar nicht genau wie, doch sie vertraute auf die Hilfe der Jungfrau Maria, die sie sehr verehrte.
Bevor Margherita sich aufmachte, betete sie in der kleinen Kirche von Brione. Beim Hinausgehen nahm sie das Eimerchen mit dem Weihwasser mit, das sie sicher beschützen würde.
Früh am Morgen kam Margherita zur Höhle der Schlange. Plötzlich schoss das Untier hervor, wütend und furchteinflössend wie immer. Doch Margherita blieb ganz ruhig. Sie kniete nieder, schloss die Augen und begann, mit fester Stimme das Ave Maria zu singen. So wie jeden Sonntag in der Kirche. Als die Schlange diese Melodie hörte, schlief sie zu Füssen des Mädchens ein. Margherita sang immer weiter. Da verwandelte sich das Weihwasser im Eimerchen in eine Wolke aus Nebel. Die Wolke hob sich über den Kopf der Schlange. Margherita hörte auf zu singen, und nach und nach wurde die Wolke zu einem schweren Felsbrocken. Der fiel herunter, zerquetschte den Kopf der Schlange und tötete sie.
Bald verbreitete sich überall in der Gegend die frohe Botschaft vom Tod der grünen Schlange und Frieden und Ruhe kehrten zurück.
Sage aus Brione Verzasca
Giuseppe Mondada, La leggenda del serpente verde. In: AA.VV., Il Meraviglioso. Leggende, fiabe e favole ticinesi, vol.1, Dadò ed., Locarno, 1990. pp.136-137. Text an Sagenweg angepasst. Irene Briner (Stimme), Andrea Pedrazzini (Aufnahme)